Schwedenzeit

Mit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ergaben sich für beide Städte einschneidende Veränderungen. Die Stadt Wismar fiel 1632 an Schweden. In Stralsund kam es schon 1628 zu der berühmten vergeblichen Belagerung durch die kaiserlichen Truppen unter Wallenstein und in deren Folge zu einem Allianzvertrag zwischen der Stadt und dem Königreich Schweden. Zwanzig Jahre später gelangten beide Städte durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens von 1648 endgültig unter schwedische Herrschaft.

Beide Städte veranschaulichen in hervorragender Weise den gegenseitigen Einfluss in einem nationenübergreifenden Kulturraum. Als Zeugnisse dieser Zeit finden sich in beiden Städten zahlreiche barocke Bürgerhäuser und schwedische Regierungsbauten.

Stralsund und Wismar waren in die schwedische Politik mit einbezogen und wurden in den folgenden Jahrzehnten wiederholt durch kriegerische Auseinandersetzungen empfindlich getroffen. Auf Grund ihrer strategisch wichtigen Lage innerhalb der deutschen Besitzungen wurden beide Städte zu Festungen von europäischem Rang ausgebaut.

Beide Städte waren Sitz zentraler Verwaltungsinstanzen: In Wismar wurde im Wismarer Fürstenhof 1653 das Königlich-Schwedische Tribunal als oberster Gerichtshof für alle deutschen Besitzungen des Königreiches Schwedens eingerichtet. Der unter Wallenstein begonnene Ausbau der Festungswerke wurde in Wismar seit 1672 verstärkt weitergeführt. Stadtpläne aus dem 18. Jahrhundert zeigen die eindrucksvollen Befestigungsanlagen in Form eines mehrstufigen Bastionsgürtels. Unter der Leitung des bedeutenden schwedischen Festungsbaumeisters Erik Dahlberg entstand eine der größten Festungen Nord- und Mitteleuropas. Mit der Neuprojektierung der Wismarer Festungsanlage wurde eine qualitativ neue Stufe im Festungsbau erreicht. Das Ergebnis war eine völlig in sich geschlossene Bastionärsbefestigung als wirksame Rundumverteidigung. Reste dieser Befestigungsanlage haben sich u.a. im östlich der Altstadtmauer gelegenen Lindengarten erhalten.

Auch in Stralsund haben sich die Schweden schon bald nach Übernahme der Herrschaft über die Stadt mit besonderem Interesse den fortifikatorischen Einrichtungen der Stadt gewidmet. So wurde der schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandene Bastionsgürtel unter der Leitung der Festungsbaumeister Cornelius Loos und Marquis de Montalembert ausgebaut. Der Verlauf und die ursprüngliche Formgebung dieses Festungsgürtels sind auch heute noch eindeutig am Rand der Altstadtinsel, den so genannten Wallanlagen, nachvollziehbar.

Mit der Niederlage der Schweden gegen Dänemark im Nordischen Krieg 1700-1721 besetzten dänische, preußische und hannoveranische Truppen die Stadt Wismar. Alle Fortifikationsbauwerke der Festung mussten gesprengt und abgetragen werden. Wismar blieb durch den Friedensvertrag von Frederiksborg im Jahre 1720 unter schwedischer Herrschaft, verlor aber schon 1719 durch die Abtretung Bremen-Verdens wesentlich an Bedeutung für das Königreich.

Stralsund wurde 1720 Regierungshauptstadt für Schwedisch-Vorpommern. Als steinerne Zeugnisse dieser Zeit bestimmen noch heute viele barocke Giebelhäuser das Stadtbild. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde es zunehmend auch um traufständige, teilweise palaisartig gestaltete Wohn- und Verwaltungsgebäude bereichert. In die Schwedenzeit Stralsunds fällt auch die Bildung von Manufakturen und Fabriken, zu deren bedeutendsten die Fayencemanufaktur (1755) und die weltbekannte Spielkarten-Fabrique (1765) zählen.

In der Schwedenzeit entwickelten sich nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch kulturelle Beziehungen zwischen dem nordeuropäischen Mutterland und den beiden Städten. Die schwedische Stadtaufnahme aus den Jahren 1706/1707, eine zu Steuererhebungszwecken angefertigte Inventarisation der Stadt Stralsund, ist ein herausragendes Beispiel für die siedlungsgeographische und soziotopographische Erfassung einer Stadt dieser Größenordnung. Eine Kulturleistung ersten Ranges stellt auch der Plan der Stadt Stralsund, 1647 von dem Stralsunder Kartographen und Gelehrten Johannes Staude entworfen, dar. Er liefert eine detailgetreue Darstellung der Ostseestadt, die heute als einmalig gilt.